Die Zeit des Nationalsozialismus hat generell weitreichende Veränderungen für die Organisation der Feuerwehren mit sich gebracht. Landesweit wurden die bisher als Gemeindeeinrichtung fungierenden Feuerwehren schrittweise als zentral gelenkte Feuerlöschpolizei dem Innenministerium unterstellt. Dieser Prozess begann bereits 1933 und wurde im Wesentlichen mit dem Gesetz über das Feuerlöschwesen vom 23. November 1938 abgeschlossen.
Dieses Gesetz fängt mit folgender Einführung an: „Die wachsende Bedeutung des Feuerlöschwesens vor allem für den Luftschutz erfordert, dass schon seine friedensmäßige Organisation hierauf abgestellt wird. Hierzu ist die Schaffung einer straff organisierten, vom Führerprinzip geleiteten, reichseinheitlich gestalteten, von geschulten Kräften einer geführten Polizeitruppe (Hilfspolizeitruppe) unter staatlicher Aufsicht nötig. Zur Erreichung dieses Zieles hat die Reichsregierung das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:...“
Damit waren die ursprünglich demokratischen, vereinsähnlichen Organisationsstrukturen mit gewählten Kommandanten und Verwaltungsgremien komplett zerschlagen. An deren Stelle traten ernannte Wehrführer sowie ein Führerrat. Auch die Ausbildung der Feuerwehrleute wurde völlig neu organisiert. An der Stelle des Spezialisten trat nun der „Einheitsfeuerwehrmann“ der alle Gerätschaften gleichermaßen bedienen kann. Der Lehrplan und die Ausrüstung wurden schrittweise auf die Einsatztätigkeit im Krieg vorbereitet.
Fast überall mussten Feuerwehrmitglieder jüdischer Abstammung die Feuerwehr verlassen. In der Reichsprogromnacht im November 1938 fehlten fast überall die Feuerwehren am Einsatzort oder beschränkten sich auf den Schutz der Nachbargebäude. Weil aus dieser Zeit nur wenige Unterlagen im Feuerwehrarchiv verblieben sind, ist es nicht möglich eine detaillierte Beschreibung sämtlicher Veränderungen und Geschehnisse in der Feuerwehr Böblingen während dieser Zeit durchzuführen. Sicher ist nur, dass auch für die Feuerwehr Böblingen die nationalsozialistische Zeit eine Zeit schwieriger Veränderungen war.
Dies wurde bereits beim Kreisfeuerwehrtag in Böblingen in 1934 aus Anlass des 75-jährigen Jubiläums sichtbar. Das Fest wurde voll und ganz im Geiste des dritten Reiches abgehalten. Der Ablauf der Hauptübung belegt sehr deutlich wie auch die Feuerwehren systematisch auf den bevorstehenden Krieg vorbereitet wurden. In dieser Zeit wurden die Feuerwehren regelrecht überschüttet mit neuen Regelungen und Vorschriften. Aber genauso wurden die Wehren auch mit den Zielen des Systems vertraut gemacht. In 1936 mussten sämtliche Kommandanten des Landkreises an der Feuerwehrschule in Bad Boll erscheinen und wurden über Neuigkeiten informiert. Dabei ging es sehr militärisch diszipliniert zu. Kommandant Beuttler wurde hier zusammen mit anderen Kommandanten mit der neuen Ordnung vertraut gemacht. Er hieß jetzt Hauptbrandmeister. Eine einheitliche Satzung galt für das ganze Reich. Der Feuerwehrmann musste künftig vereidigt werden und erhielt den Charakter eines Hilfspolizisten. Das Ziel der Ausbildung war von nun an der Einheitsfeuerwehrmann, der alle vorkommenden Aufgaben des Löschwesens beherrscht. Nach seiner Rückkehr machte Beuttler in einer außerordentlichen Versammlung die Männer mit den geplanten Neuerungen und den geltenden Satzungen bekannt. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Einrichtung einer Weckerlinie und Beschaffung einer 1000-Liter-Spritze gestellt.
Die Mannschaftsstärke wurde von 216 auf 132 Mann herabgesetzt. Ein Führerrat musste gebildet werden, diesem gehörten folgende Personen an: Eugen Beuttler als Kommdant, Otto Bögel als Vizekommandant, Paul Keck als Adjutant, Reinhold Aumüller als Schrift- und Kassenwart, Karl Jocher als Geräteverwalter, Clemens Fürst, ein langjähriges Mitglied mit 40-jähriger Dienstzeit, als Kassier und die Kompanieführer Robert Hirner, Richard Kübler, Friedrich Maier und Paul Müller.
Anfang 1937 stellte die Feuerwehr am „Tag der Deutschen Polizei“ 10 Feuerwehrleute um Abzeichen zu verkaufen. Darüber hinaus spendeten die Feuerwehrleute noch einen Betrag über den Verkaufserlös hinaus. Am 11. April traf sich die ganze Feuerwehr in der Dinkelakerei. Kommandant Beuttler verlas die neue Satzung der Freiwilligen Feuerwehr Böblingen. Sämtliche Kameraden mussten bei dieser Gelegenheit Formulare für eine Neuaufnahme in der Wehr abgeben. Anschließend wurden sie per Handschlag von Hauptbrandmeister Beuttler vereidigt. Das Protokollbuch der Feuerwehr aus dieser Zeit verzeichnet große Lücken, so fehlen z.B. sämtliche Angaben für 1935 und 1938. Für 1939 und die ersten Kriegsjahre werden nur noch einige Kurzberichte über abgehaltene Übungsdienste aufgenommen.
Im Frühjahr 1939 trat Eugen Beuttler zurück, verblieb aber bis 1945 im Führungsstab. An seiner Stelle wurde Architekt Reinhold Aumüller und als dessen Stellvertreter Malermeister Richard Kübler mit der Führung der Wehr beauftragt. In diese Zeit fällt die Technisierung und Motorisierung der Böblinger Feuerwehr, die Aumüller mit Eifer vorantrieb. Aber 1940 musste er zum Kriegsdienst einrücken, der ihn erst im Jahre 1945 wieder freigab. Während des 2. Weltkrieges gab es im Kommando der Freiwilligen Feuerwehr Böblingen einen häufigen Wechsel. Als Aumüller und Kübler zur Wehrmacht berufen wurden, übernahm Robert Hirner stellvertretend die Führung. Als dann Richard Kübler 1941 vom Heer frei kam, übernahm er zunächst als Stellvertreter das Kommando, bis er später als Kommandant und Hauptbrandmeister eingesetzt wurde. Landrat Dr. Hengstberger übertrug ihm das Amt eines Kreisbrandinspektors, worauf 1946 Robert Hirner zum Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr Böblingen bestimmt wurde.
Die Lücken, die die Einberufungen gerissen hatten, füllte man aus, indem man Jugendliche für den Feuerwehrdienst schulte und einen HJ-Hilfszug aufstellte. Als der Krieg Fortschritt und die Alliierten immer stärker die deutschen Städte bombardierten, wurde ab dem 15.März 1943 während der späten Abendstunden ein täglicher Wachdienst im Gerätehaus eingerichtet. Diese Dienste wurden detailliert in einem eigens dafür eingerichteten Wachbuch protokolliert und vom Kommandanten nach Prüfung gegengezeichnet. Meistens war allerdings nur zu melden: „Besondere Vorkommnisse: keine“ Diese Einträge enden mit dem 12.Juli.1944.
Parallel dazu wurde ab September 1942 bis Januar 1945 durch den Kommandanten ein „Merkbuch“ geführt. Darin wurden sämtliche Dienste und Einsätze kurz aufgelistet und beschrieben. Die häufigen Einsätze der Feuerwehr während des Krieges waren durch die vielen feindlichen Bombenangriffe auf Städte und Dörfer bedingt. Der schwerste Einsatz wurde in der Böblinger Bombennacht vom 7./8. Oktober 1943 getätigt. Ein großer Teil der Altstadt stand in Flammen. Es brannte das Rathaus, das Schloss, der Fruchtkasten und die Kirche. Am Postplatz sanken der Gasthof Zahn, das Hotel Post, die Kreispflege und das Dekanat im Feuer zusammen. Das Plattenbühl war in Glut getaucht. An vielen anderen Stellen der Stadt hatten die Brandbomben ihre Opfer gefunden und zündeten an, was die Sprengbomben zuvor in ein Chaos verwandelt hatten. In dieser Nacht war die Feuerwehr vor eine Aufgabe gestellt, der sie trotz unermüdlicher Arbeit nicht gewachsen war, auch nicht durch die Hilfe der zahlreich herbeigeeilten fremden Wehren. Durch schadhafte Wasserleitung war man zuletzt nur auf das Wasser der Seen angewiesen. Zum Glück konnte eine Anzahl von Häusern durch das energische Zugreifen der Bewohner und Nachbarn gerettet werden.
Über diese Zeit steht im Tagebuch der Freiwilligen Feuerwehr Böblingen folgende Notiz: „7./8. Oktober 1943 Terrorangriff mit Großeinsatz in Böblingen. Bis 12.Oktober 1943 waren insgesamt 21 Wehren mit 43 LF und TSA eingesetzt. Zusammen wurden 3582 Arbeitsstunden geleistet.“ Und dann bricht im Tagebuch die Reihe der Aufzählung der Einsätze fast nicht ab. Da heißt es: Löschhilfe in Stuttgart, Steinenbronn, Waldenbuch, Leinfelden, Hildrizhausen, immer wieder Stuttgart, Feuerbach, Münster, Untertürkheim, Sindelfingen, Magstadt, wieder Sindelfingen und wieder Stuttgart. Dazwischen sind Angriffe auf Böblingen verzeichnet, so die Bombardierung des Industrieviertels am 19. Juli 1944, zu denen auch die Calwer und Nagolder Wehren zur Hilfeleistung herbeieilten.
Die Nachkriegszeit
Als der deutsche Zusammenbruch den Krieg beendete, nahmen die Franzosen die beste Spritze mit und brachten sie nach Frankreich. Nach einem halben Jahr war mit viel Mühe wieder Ersatz geschaffen. Und dann musste man neben dem allgemeinen Wiederaufbau auch an die Neuformierung und Neuausrüstung der Feuerwehr denken und sie auf einen modernen Stand bringen.
In diese Zeit fällt der Tod des ehemaligen Hauptbrandmeisters und nachherigen Kreisfeuerlöschinspektors Richard Kübler. Ganz unerwartet erlag er am 14. April 1954 einer Herzembolie. Er war eine bei allen Feuerwehren wohlbekannte und hochgeschätzte Persönlichkeit. Seine Beerdigung wurde zu einem Bekenntnis der Treue und Kameradschaft. Rund 1000 Feuerwehrmänner gaben ihm am Karfreitag 1954 das letzte Geleit.
Löschzug der Freiwilligen Feuerwehr Böblingen 1954